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seine Sinne folgten erfahren und willig allen lndlichen Zeichen der Jahreszeiten und ihrer
Geschfte.
Er war nahe am Einschlafen, da weckte ihn das Stehenbleiben des Wagens. Eine Wasserrinne
lief quer ber die Strae, darin fanden die Vorderrder einen Halt, und das Ro blieb dankbar
stehen, senkte den Kopf und geno wartend die Rast.
Machold ermunterte sich ber dem pltzlichen Verstummen der Rder, nahm die Zgel zu-
sammen, sah lchelnd nach verdmmerten Minuten Wald und Himmel wie zuvor in sonniger
Klarheit stehen und trieb den Gaul mit vertraulichem Zungenschnalzen zum Weitersteigen an.
Darauf setzte er sich aufrecht, er liebte es nicht am Tage zu schlummern, und steckte sich eine
Zigarre an. Die Fahrt ging im langsamen Schritt weiter, zwei Weiber grten vom Felde, in
Schattenhten hinter einer langen Front von gefllten Kartoffelscken hervor.
Die Hhe war jetzt nahe, und das Pferdchen hob den Kopf, ermuntert und voll Erwartung,
nchstens den langen Sattel des heimatlichen Hgels hinabzutraben. Da erschien im nahen
lichten Horizont von drben her ein Mensch, ein Wanderer, stand einen Augenblick vom Blau
umlodert frei und hoch, stieg nieder und wurde grau und klein. Er kam nher, ein magerer
Mann mit kleinem Bart in schlechten Kleidern, sichtlich auf der Landstrae daheim, er ging
mde und mhevoll, aber er zog den Hut mit stiller Artigkeit und sagte: Gr Gott.
Gr Gott, sagte der Doktor Machold und sah dem Fremden nach, der schon vorber war,
und pltzlich hielt er den Gaul an, wandte sich stehend ber das knarrende Lederdach zurck
und rief: Heda, Sie! Kommen Sie einmal her!
Der staubige Wanderer blieb stehen und sah zurck. Er lchelte schwach herber, wandte sich
wieder ab und schien weitergehen zu wollen, dann besann er sich dennoch und kehrte gehor-
sam um.
Jetzt stand er neben dem niederen Wagen und hatte den Hut in der Hand.
Wohinaus, wenn man fragen darf? rief Machold.
Der Strae nach, gegen Berchtoldsegg.
Kennen wir einander nicht? Ich kann blo nicht auf den Namen kommen. Sie wissen doch,
wer ich bin?
Sie sind der Doktor Machold, will mir scheinen.
Na also? Und Sie? Wie heien Sie?
Der Herr Doktor wird mich schon kennen. Wir sind einmal nebeneinander beim Przeptor
Plocher gesessen, Herr Doktor, und Sie haben damals die lateinischen Prparationen von mir
abgeschrieben.
Machold war schnell ausgestiegen und sah dem Mann in die Augen. Dann klopfte er ihm auf-
lachend auf die Schulter.
Stimmt! sagte er. Dann bist du also der berhmte Knulp, und wir sind Schulkameraden.
So la dir doch die Hand schtteln, alter Kerl! Wir haben uns sicher zehn Jahre nimmer gese-
hen. Immer noch auf der Wanderschaft?
Immer noch. Man bleibt gern beim Gewohnten, wenn man lter wird.
Da hast du recht. Und wohin geht die Reise? Wieder einmal der Heimat zu?
Richtig geraten. Ich will nach Gerbersau, ich habe eine Kleinigkeit dort zu tun.
So, so. Lebt denn noch jemand von deinen Leuten?
Niemand mehr.
Gerade jugendlich schaust du nimmer aus, Knulp. Wir sind doch erst Vierziger, wir zwei.
Und da du so einfach an mir vorbei hast laufen wollen, ist nicht recht von dir. Weit du,
mir scheint, du knntest vielleicht einen Doktor brauchen.
Ach was. Mir fehlt weiter nichts, und was mir fehlt, das kann doch kein Doktor kurieren.
Das wird sich ja zeigen. Jetzt steig einmal ein und komm mit mir, dann knnen wir besser
reden.
Knulp trat ein wenig zurck und setzte den Hut wieder auf. Mit verlegenem Gesicht wehrte er
sich, als der Doktor ihm in den Wagen helfen wollte.
Ach, wegen dessen, das wre nicht ntig. Das Rlein rennt dir nicht fort, solang wir daste-
hen.
Indessen fate ihn ein Anfall von Husten, und der Arzt, der schon Bescheid wute, packte ihn
kurzerhand und setzte ihn in das Gefhrt.
So, sagte er im Weiterfahren, gleich sind wir droben, und dann geht s Trab, in einer hal-
ben Stunde sind wir daheim. Du brauchst keine Unterhaltung zu machen, mit deinem Husten,
wir knnen dann daheim weiter reden. Was? Nein, das hilft dir jetzt nichts mehr,
kranke Leute gehren ins Bett und nicht auf die Landstrae. Weit du, damals im Latein hast
du mir oft genug geholfen, jetzt bin ich einmal an der Reihe.
Sie fuhren ber den Hhenrcken und mit pfeifender Bremse den langen Sattel hinab; gegen-
ber sah man schon die Dcher von Bulach ber den Obstbumen. Machold hielt die Zgel
kurz und pate auf den Weg, und Knulp ergab sich mde in halbem Behagen dem Genu des
Fahrens und der gewaltsamen Gastfreundschaft. Morgen, dachte er, oder sptestens bermor-
gen walze ich weiter nach Gerbersau, wenn die Knochen noch zusammenhalten. Er war kein
Springinsfeld mehr, der die Tage und Jahre verschwendete. Er war ein kranker, alter Mann,
der keinen Wunsch mehr hatte, als vor dem Ende noch einmal die Heimat zu sehen.
In Bulach nahm ihn sein Freund zuerst in die Wohnstube und gab ihm Milch zu trinken und
Brot mit Schinken zu essen. Dabei plauderten sie und fanden langsam die Vertrautheit wieder.
Dann erst nahm ihn der Arzt ins Verhr, das der Kranke gutmtig und etwas spttisch ber
sich ergehen lie.
Weit du eigentlich, was dir fehlt? fragte Machold am Ende seiner Untersuchung. Er sagte
es leicht und ohne Wichtigkeit, und Knulp war ihm dafr dankbar.
Ja, ich wei schon, Machold. Es ist die Auszehrung, und ich wei auch, da es nimmer lang
gehen kann.
Na, wer wei! Aber dann mut du also auch einsehen, da du in ein Bett und in eine Pflege
gehrst. Einstweilen kannst du ja hier bei mir bleiben, ich sorge inzwischen fr einen Platz im
nchsten Spital. Es spukt bei dir, mein Lieber, und du mut dich zusammennehmen, da du s
noch einmal durchhaust.
Knulp zog seinen Rock wieder an. Er wandte sein hageres und graues Gesicht mit einem
Ausdruck von Schelmerei dem Doktor zu und sagte gutmtig: Du machst dir viele Mhe,
Machold. Also meinetwegen. Aber von mir darfst du nimmer viel erwarten.
Wir werden ja sehen. Jetzt setzest du dich in die Sonne, so lang sie noch in den Garten
scheint. Die Lina macht dir das Gastbett zurecht. Wir mssen dir auf die Finger sehen,
Knlplein. Da so ein Mensch, der sein ganzes Leben in der Sonne und Luft zugebracht hat,
sich dabei ausgerechnet die Lungen kaputt macht, ist eigentlich nicht in der Ordnung.
Damit ging er weg.
Die Haushlterin Lina war nicht erfreut und wehrte sich dagegen, so einen Landstreicher ins
Gastzimmer zu lassen. Aber der Doktor schnitt ihr das Wort ab.
Lassen Sie gut sein, Lina. Der Mann hat nimmer lang zu leben, er mu es bei uns noch ein
bichen gut haben. Sauber ist er brigens immer gewesen, und eh er zu Bett geht, stecken wir
ihn ins Bad. Tun Sie ihm eins von meinen Nachthemden heraus und vielleicht meine Winter-
pantoffeln. Und vergessen Sie nicht: Der Mann ist ein Freund von mir.
Knulp hatte elf Stunden geschlafen und den nebligen Morgen im Bett verdmmert, wo er sich
erst allmhlich darauf besinnen konnte, bei wem er sei. Als die Sonne herausgekommen war,
hatte Machold ihm das Aufstehen erlaubt, und nun saen sie beide nach Tisch bei einem Glas
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